„Was spielen wir denn heute?“ – Einblicke in die Spiele-AG
Unsere Kollegin Stefanie Marckwardt engagiert sich als Jurorin für das „Spiel des Jahres“. Hier schildert sie ausführlich, wie es in ihrer Spiele-AG an der Lessing-Grundschule abläuft. (Dieser Artikel erschien zuerst im Februar 2019 auf der offiziellen Seite des „Spiel des Jahres“.)
Seit sechs Jahren leite ich eine Spiele-AG an meiner Grundschule. Die Anfänge waren teilweise etwas holprig, aber inzwischen erlebe ich wöchentlich schöne Spielerlebnisse. Bevor ich die Spiele-AG gestartet habe, sind mir viele Fragen durch den Kopf gegangen: Wann sollte sie liegen? Wie viele Kinder nehme ich an? Wie viele Spiele biete ich jeweils an? Und noch einige mehr. Inzwischen habe ich ein festes Konzept, nach dem ich jedes Jahr meine AG mit neuen Teilnehmern starte.
Ich habe mich nämlich dafür entschieden, immer nur Kinder der zweiten Klasse für ein Schuljahr als Teilnehmer zu nehmen. Zum einen werden für diese Klassenstufe an meiner Schule nur verhältnismäßig wenig Freizeitmöglichkeiten angeboten. Zum anderen liegen diese Kinder in der Zielgruppe für das „klassische“ Kinderspiel. Zuerst wollte ich auch Erstklässler einbeziehen, aber diese haben gerade zu Anfang des Schuljahres so viele neue und auch aufregende Eindrücke, dass eine regelmäßige AG-Stunde teilweise zu viel wäre. Weiterhin hat die Arbeit mit Zweitklässlern auch den Vorteil, dass man mit ihnen oft leichter ein Spiel spielen kann, das Zahlen, Buchstaben oder Texte einbezieht – gerade in dieser Hinsicht gibt es nämlich viele Altersempfehlungen, die nicht berücksichtigen, dass ein durchschnittlicher Sechsjähriger nicht unbedingt alle Buchstaben kennt und sich auch oft noch nicht sicher im Zahlenraum bis 20 auskennt – beides sind nämlich Lernziele, die erst am Ende der 1. Klasse angesteuert sein sollten.
Zu Beginn des Schuljahres gehe ich dann immer durch die zweiten Klassen und stelle mich und die Spiele-AG kurz vor. Einige Kids haben nämlich eine völlig falsche Vorstellung, was in einer Spiele-AG passieren könnte und wären dann arg enttäuscht, dass sie dort nicht jedes Mal mit ihren Beyblades Turniere veranstalten dürfen.
Spielerisch erkläre ich dann auch die „Voraussetzungen“, die man mitbringen sollte, damit man in der Spiele-AG auch wirklich Spaß hat:
- Man sollte Lust haben, neue Spiele zu spielen:
Natürlich gibt es auch immer einen Termin, an dem dann das Lieblingsspiel mitgebracht und gespielt werden darf. Aber eigentlich soll man schöne, interessante, spannende, neue Spiele kennenlernen. - Ein Spiel soll auch zu Ende gespielt werden, wenn es einem nicht so viel Spaß macht:
Spiele sind natürlich Geschmackssache und was dem einem super gefällt, mag der andere vielleicht gar nicht. Ein Spielabbruch wäre aber unfair dem gegenüber, der das Spiel toll findet. Keiner muss aber ein Spiel, dass er nicht mag, ein zweites Mal spielen. - Man muss verlieren können:
Natürlich ist es super, wenn man ein Spiel gewinnt. Aber auch wenn ich verliere, sollte ich das nicht am Spiel oder gar an meinen Mitspielern auslassen und erst recht nicht schlechte Laune bekommen. Wenn ich in der Klasse frage, wie viele Kinder denn bei einem 6-Personen-Spiel verlieren „müssen“, wird es immer ganz schnell klar, dass es Glück ist, zu gewinnen und dass es eben nur einen Gewinner geben kann (auf die kooperativen Spielen komme ich später noch zu sprechen).
Nach dieser kurzen Vorstellung gibt es dann immer noch viele Kinder, die gerne an der Spiele-AG teilnehmen wollen. Da man nicht „leise“ spielen kann und auch aus unterschiedlichen organisatorischen Gründen habe ich mich schweren Herzens dazu entschieden, die Teilnehmerzahl auf zwölf Zweitklässler zu begrenzen. Somit muss in einigen Klassen dann leider ausgelost werden, da ich die Plätze gerecht auf die einzelnen Klassen verteilen möchte. Nach Möglichkeit versuche ich die Spiele-AG direkt nach Unterrichtsschluss zu legen, da es so für den weiteren Ablauf (Schulessen, Hort, Hausaufgabenerledigung) am günstigsten für die Kinder ist.
Wenn die zwölf aufgeregten Spiele-AG-Teilnehmer dann das erste Mal erscheinen, spielen wir immer erst einmal alle ein Spiel gemeinsam. Da bieten sich ein faszinierendes Bumm Bumm Ballon, ein fantasiereiches Kaleidos Junior oder auch das kreative Sag’s mir! Junior an. Das letztere fällt dann auch in den bei Kindern sehr beliebten Bereich der kooperative Spiele: Wir spielen gemeinsam gegen das Spiel. Wir gewinnen oder verlieren gemeinsam. Gerade zu Anfang setze ich gerne gezielt häufiger kooperative Spiele ein, da das Verlieren leider vielen Kindern oft doch sehr schwerfällt. Gemeinsam lässt es sich viel leichter ertragen und selbst wenn man verliert, startet man gemeinsam häufig ganz mutig die Revancherunde.
Die nächsten AG-Stunden spiele ich – passend für die Spieleranzahl zwölf – oft zwei nach Möglichkeit kooperative 6er-Spiele (z. B. Gespensterturm oder Disney Riesen Bilder-Rallye), die schnell zu erklären und leicht zu verstehen sind. Nachdem alle sich zwischen den zwei Spielen entschieden haben (manchmal kann das auch etwas schwieriger sein; dann gibt es immer die Zusage, dass wer „zurücktritt“ beim nächsten Mal mit dem Wunschspiel beginnen kann), erkläre ich allen das eine Spiel – auch denjenigen, die es dieses Mal nicht spielen, damit sie beim nächsten Mal mit dem Spiel einen Tick schneller starten können. Daraufhin spielen die ersten sechs Kindern los und erkläre den übrigen in Ruhe das zweite Spiel. Im Optimalfall wird dann am darauffolgenden Termin in umgekehrter „Besetzung“ mit kürzerem Input losgespielt.
So lernen die Kids nach und nach Spielregeln und nach einiger Zeit gehe ich dann dazu über, in Vierer- und auch Dreierbesetzung zu spielen. Nun können einige Spiele selbstständig gespielt werden und ich habe die Möglichkeit, dann auch etwas „komplexere“ Spiele einer Teilgruppe zu erklären. Meist bringe ich eine überdimensionale Spieletüte mit, in der sich dann sowohl bekannte als auch neue Spiele befinden und ich werde regelrecht überfallen, was sich denn alles Schönes in meiner Tüte befindet. Nach einem kurzen Findungsprozess, wer mit wem welches Spiel spielen möchte, und einigen Spieleerklärungen wird losgezockt.
Selten gibt es auch Kinder, die merken, dass die Spiele-AG nichts für sie ist. Dann wird schnell ein „Nachrückerkind“ aufgenommen und dabei merke ich immer, wie fit meine restlichen Spiele-AG-Kids nun schon sind und wie selbstständig sie sich teilweise auch alleine gegenseitig die Spielregeln erklären können.
Die Gruppendymamik ist natürlich auch immer sehr entscheidend für den AG-Verlauf. Mal hatte ich Gruppen, die schneller dazu tendierten, sich zu streiten oder aufzuregen (das fängt dann leider schon bei der Spielerfarbenauswahl an) und mal hatte ich sehr harmonische Gruppen, bei denen alles sehr besonnen ablief. In solchen Gruppen erhöhe ich dann gerne nach dem Halbjahr auch die Teilnehmeranzahl, da es immer noch Kinder gibt, die auch gerne kommen würden.
Ganz wichtig ist es auch, immer noch einen Absacker in der Reserve zu haben, denn wenn bei Beendigung eines Spiels noch 10 bis 15 Minuten Spielzeit vorhanden sind, muss es schnell gehen mit einem weiteren Spiel. Dafür empfiehlt sich immer eine kleine Auswahl an kurzen und schnell erklärbaren Spielen, die ohne viel Aufbauaufwand losgespielt werden können, (z. B. Burg Schlummerschatz, Eye Catch, Schau mal! Was ist anders?, Speed Colors, Speed Cups, Tortenschlacht, Visioo und natürlich viele weitere mehr!). Auch hilfreich sind Solitärspiele, denn manchmal ist durch ungerade Spieleranzahlen wegen Krankheit plötzlich ein Kind übrig oder ein Kind möchte eine Auszeit – dann bietet sich eins der vielen schönen Solitärspiele zur Auswahl an (z. B. Aqua Belle, Cosmo, Geisterjäger, IQ Fit, Rubik’s Snake Drehpuzzle, um nur einige zu nennen), die dann aber auch gerne zu zweit geknobelt werden.
Die Spiele-AG gibt mir auch für meine Jurytätigkeit für das Kinderspiel des Jahres viele Impulse. Ich kann beobachten, wie gut die Kids mit dem Spiel zurechtkommen: Passt das Alter? Weiß es zu interessieren und zu fesseln? Stimmt die Spieldauer mit der Angabe überein? Wird es gewünscht und oft nachgefragt? Wie beliebt ist es? Besonders, wenn es darum geht, unter den nominierten drei Kinderspielen das herauszufinden, das einen Tick besser ist als die anderen zwei, sind die Reaktionen der Spiele-AG-Teilnehmer sehr interessant und aufschlussreich.
Auch wenn die Organisation einer Spiele-AG nicht immer einfach ist und sich die begeisterte Spiellautstärke von zwölf Kids teilweise schwer ertragen lässt, entschädigen die vielen tollen Spielerlebnisse und schwärmenden jungen Spieler das alles völlig!
Stefanie Marckwardt